Enkelfähig – Zeitschriftentitel für Kopf und Herz

Als ich von „enkelfähig“ las, da traf es mich wie der Schlag. Was war denn das? Und wer traute sich, seiner Zeitschrift so einen Titel zu geben?

Titel Magazin „enkelfähig Wert & Werte“ von Haniel
Magazin „enkelfähig“ von Haniel © Haniel

Mit dem Absender Haniel hatte ich dann schnell eine (richtige) Ahnung, in welche Richtung der Zeitschriftentitel ging und was er sein sollte – die  bildhafte und einleuchtende Übersetzung der Unternehmensphilosophie in ein neues, verständliches (oder zumindest erschließbares) Wort. Geht es noch spannender?

Frau Hausmanns von Haniel war so freundlich, mir das Konzept hinter der Zeitschrift mit diesem besonderen Namen zu erklären. Hier das Wichtigste dazu:

Haniel ist ein traditionsreiches Duisburger Investorenunternehmen im Familienbesitz, das für seine Anteilseigner (die Familie, und das sind hier ca. 650 Menschen) ein langfristig profitables Portfolio gestaltet. Das geschieht so seit den Anfängen des Unternehmens Mitte des 18. Jahrhunderts. Nachdem in neuerer Zeit bereits über die Homepage, den Geschäftsbericht und das Intranet (eher nach innen) kommuniziert wurde, fiel 2011 die Entscheidung für ein eigenes, neues Magazin. Damit sollten weitere Zielgruppen erschlossen und diesen das Geschäftsmodell von Haniel nähergebracht werden. In „enkelfähig“ und seinen Geschichten soll deutlich werden, wie zukunfts- und werteorientert Haniel agiert. Der Titel fasst dies in einem Wort sehr elegant zusammen. Heute ist der Name eine tatsächliche Kommunikationsmarke (er ist übrigens auch als Marke für Publikationen und Medienprodukte geschützt) und hat die Ansprache der Mitarbeiter von Haniel, von Geschäftspartnern, Bewerbern, Journalisten und vielen mehr enorm verbessert.

Zurück zum puren Namen „enkelfähig“, seinem Inhalt und seiner Wirkung. Dass der Name gut sein muss, belegen das Feedback sowohl auf das Magazin selbst wie auch auf den Namen.  Aber was ist das Geheimnis, warum löst der eine Name etwas aus, während der andere alles auf Start stehen lässt? Warum erscheinen in meinem Kopf sofort Bilder von Generationen, von kleinen Kindern mit ihren Großeltern? Warum sind da Werte im Raum, wie Langfristigkeit, Solidität, Ehrlichkeit, Vertrauen? Und wenn ich meinen Versuchspersonen trauen darf, dann geht in ihren Köpfen ganz ähnliches vor sich.

Meine These: Deutsch trifft tiefer als Englisch. Ein deutscher Name, besonders ein innovatives Kompositum, das entschlüsselt werden kann, berührt Menschen anders als ein englischer Begriff (nehmen wir mal als besonders langweiliges Beispiel „sustainable“). Denn was man tatsächlich versteht, berührt anders als das, wovon man ein vages Bild hat oder erst eines dazukonstruieren muss.

Ein englischer Name hat allerdings den Vorteil, dass sich alle – Absender wie Rezipienten – etwas vorstellen können, von dem sie glauben, dass es damit zusammenhänge – ähnlich einem Wunschkonzert. Weil das Verstehen aber nicht so tief ist, sind sie nicht so stark emotional involviert und berührt wie in ihrer Muttersprache.

Ein hübscher Beleg für die Attraktivität des Namens ist sicher auch die immer wieder erfolgende Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch, in der Welt außerhalb Haniels: Wenn z.B. der NRW-Wirtschaftsminister es verwendet – als schöne Alternative zum arg abgedroschenen „nachhaltig“. Vielleicht finden ja über den Zeitschriftentitel tatsächlich auch die Ideen Eingang in die Köpfe der Menschen.

 

PS: Ein Projekt von mir mit ähnlicher Ausrichtung ist das Generationendepot der Versicherungskammer Bayern.

 

Screwfix und Postcon – gute Namen oder nicht?

Oft hört man von Kunden den Satz „Wir möchten keinen neuen Pajero“. Doch wann ist ein Name geeignet für seine Zielmärkte? Wie stark darf ein Name an negative oder schlüpfrige Themen erinnern und bleibt doch geeignet für seinen geplanten Einsatz? Betrachten wir zwei Beispiele.

Im Raum Frankfurt eröffnet dieser Tage ein neuer Baumarkt, mit dem klingenden englischen Namen „Screwfix“.

Englischer Markenname Screwfix für Baumarkt

Die mit etwas tiefergehenden Englischkenntnissen Gesegneten mögen schmunzeln, ist der Name doch ein Synonym zum F-Wort – aber so einfach ist die Sache nicht. Zumal der riesige Konzern hinter diesem Konzept und dem Namen durchaus des Englischen mächtig ist. Er stammt aus dem Mutterland des Englischen und hört auf den Namen Kingfisher, seines Zeichens größter europäischer Baumarktkonzern.

Zurück zum Namen. Ich habe meine englischsprachigen Partner gefragt. Das Urteil aus USA und England ist zwiegespalten: kein Problem bzw. ja, Problem. Bei den Engländern versteht und weiß jeder, dass es um Heimwerken oder Werken allgemein geht. Das Sexuelle bleibt außen vor. Vermutlich ist der Name über Jahre oder Jahrzehnte gelernt worden und mit dem Richtigen verknüpft worden. Meine amerikanische Partnerin dagegen würde den Namen in dieser Form niemals für den amerikanischen Markt empfehlen. Für sie klingt er arg unterleiblich. Tja, so verschieden sind die Meinungen in der vermeintlich sehr ähnlichen Sprache.

Beim Namen „Postcon“ ist die Lage ähnlich uneindeutig.

Markenname Postcon für einen Postdienstleister

Man mag sich ja noch einig sein, dass es schon flüssigere und ästhetisch ansprechendere Namen gegeben hat. Was jeder individuell versteht, ist erst einmal natürlich Post, also ganz passend für einen deutschen Postdienstleister, im Übrigen eine Tochter der niederländischen post NL. Wofür nun das „con“ steht, ist recht offen. Die Interpretations- und Übersetzungsmöglichkeiten reichen vom Betrug bis zu Anklängen von Messen und Vernetzung. So bleibt (auf Basis meines begrenzten Wissens über das Projekt) für diesen Namen nur das schlichte Fazit: Keine Schönheit, aber wohl ok für das, was er tun soll.

Und das Gesamtfazit? Es ist erstaunlich schwer, genau vorauszusagen, wie ein Name wahrgenommen wird – zumal in einer Vielzahl von Märkten mit vielen Sprachen. Manchmal können allerdings Experten helfen.

 

Ausspracherätsel Hachez oder Haschee? Schokolade, Ragout?

Bei manchen Markennamen bin ich mir nicht sicher, wie sie auszusprechen sind. Einer dieser Namen ist Hachez. Da ich wusste, dass es sich um einen Bremer Schokoladenhersteller handelt, ging ich immer von einer deutschen Aussprache aus: h-a-ch-e-z. Ich stellte mir auch vor, das könnte ein Akronym sein aus dem Ha von Hanseatisch, dem ch von Chocolate und dem ez von etwas, nun ja, von etwas, das ich nicht weiß. So macht man sich halt seinen Reim auf die Welt.

Hachez Chocolade Logo
© HACHEZ Chocolade GmbH & Co. KG

Aus Geschäften und durch Bekannte ist mir allerdings auch eine frankophone Aussprache geläufig: also so etwas wie „Haschee“. Nun wird aber im Französischen ein Anlaut-h nicht gesprochen, der Name wäre also eher ein „Aschee“. Großes Problem, ich weiß. Da das Unternehmen ja nicht wie Lindt Fernsehwerbung macht und für einen einheitlichen ausgesprochenen Namen sorgen kann (wobei Lindt da die eindeutig bessere Startposition hatte mit seinem bocksimpel und quasi nur einfach aussprechbaren Namen) gibt es also verschiedene Sprechweisen.

Um zu klären, wie man das mit dem Ausspracherätsel im Unternehmen selbst sieht, fragte ich dort einfach nach. Eine freundliche Dame teilte mir mit, der aus Belgien stammende Chocolatier Joseph Emile Hachez war seinerzeit Gründer des gleichnamigen Unternehmens und Stammvater der erlesenen Chocolade-Kreationen. Demzufolge würde das „z“ nicht mitgesprochen im Mittelteil wird das „ch“ wie „sch“ gesprochen abschließend ein langgezogenes „e“ – mit dem Ergebnis „HASCHEH“.

Diese Aussage kollidiert natürlich mit der Auskunft, die mein französischer Partner mir gab, der das „h“ nicht sprechen würde, aber zusätzlich darauf verwies, dass das Wort im Französischen sogar eine faktische Bedeutung habe – nämlich so etwas wie „mahle!“ bedeute. Aber das nur am Rande. Vielleicht hat es Joseph Emile Hachez als Fremder in Bremen einfach nicht geschafft, die korrekt französische Aussprache in Bremen durchzusetzen.

Somit haben wir eine „korrekte“ Lösung, die niemand in Deutschland verwendet, eine gebräuchliche, die viele verwenden, und zu guter Letzt eine aus muttersprachlich deutscher Sicht ebenso plausible. Was lernen wir daraus? Eine Vereinheitlichung wäre sicher schön, ist aber aufwendig. Dennoch, vielleicht kann man ja aus dem belgischen Erbe und der besonderen Aussprache des Namens ein Werbethema machen.

Da ich die Produkte des Unternehmens sehr schätze, hier noch ein paar Details für Schokoladeninteressierte:

HACHEZ ist der einzige Premium-Hersteller in der Bundesrepublik, der in der Manufaktur in Bremen noch unter eigenem Dach alle Herstellungsprozesse vereint: Beginnend mit dem Reinigen und Rösten der Kakaobohnen bis zur Ausformung der Chocolade in vielfältigen Formen und Dekors. Alle Arbeitsschritte – vom Rösten der Kakaobohnen bis zur Herstellung des Endproduktes – finden unter einem Dach statt. Der Prozess der Herstellung einer Schokolade dauert bei HACHEZ bis zu 100 Stunden.

Chocolade Hachez Sortiment Auswahl: 8 Tafeln
© HACHEZ Chocolade GmbH & Co. KG

Herzlichen Dank für ihre Unterstützung und die Bilder an Frau Kruse von der Bremer HACHEZ Chocolade GmbH & Co. KG – Chocolade Manufaktur seit 1890.

 

5 GUM Turbulence mit neuer Beschreibung – Deutsch!

Wie früher schon im Namensblog berichtet oder auf meiner Website zu lesen, habe ich ja den Sortennamen bzw. die Subbrand Turbulence für Wrigley 5 GUM gemacht. Bisher sah die Packung so aus:

5 gum Packshot Turbulence - Watermelon
5 GUM Turbulence Pack Watermelon – Quelle: Wrigley

Im August 2014 ist eine neue Packungsvariante erschienen, die durch Formen und Farben viel stärker die Wassermelone verdeutlicht, ein verändertes Sortenzeichen aufweist, aber vor allem – mit einer deutschen Beschreibung versehen ist. Bisher lautete diese:

„A mouthwatering watermelon / Sugarfree Chewing Gum“.

In der neuen Edition heißt es:

„Ein Geschmackserlebnis saftiger Wassermelone / Zuckerfrei“.

Und so sieht die neue Packung aus:

5 GUM Turbulence Pack - Beschreibung auf Deutsch
5 GUM Turbulence Pack Wassermelone – Quelle: Wrigley

Es ist schon eine wirklich große Veränderung, dass nun auf Deutsch mit den Käufern kommuniziert wird. Besser verständlich sind die Inhalte auf jeden Fall, ob sie auch attraktiver erscheinen, das ist die spannende Frage. Aber Wrigley hat sicher entsprechende Tests im Vorfeld gemacht.

Wer gerne mehr zu den Sortennamen erfahren möchte, der findet Näheres dazu auf der Website der Naming-Agentur. Interessant ist auch der Namensüberblick zum gesamten 5 GUM Portfolio in der Wikipedia. Und hier geht’s zur Website von 5 GUM, wo man viele Aktionen mitmachen kann.

 

Inspirationsquelle für Lindt „Hello …“ gefunden!?

Endlich ist sie entdeckt, die Inspirationsquelle von Lindt für die Namen der Produktfamilie „Hello, my name is …“ . 😉

„hello my name is“ Aufkleber

Man beachte bei den Aufklebern besonders die Anwendungsfelder School, Home, Office. Also, wenn man sich mal zu Hause nicht mehr kennt, ist das eine prima Lösung.

Packung mit „hello my name is“ Aufklebern
Packung der Aufkleber zum Identifizieren von Teilnehmern oder Dingen.

Über das Lindt Namenssystem habe ich übrigens schon einmal versucht zu schreiben – mehr hier.

 

App Die Blasenhexe – eine übersetzte Bubble Witch

Zur Zeit läuft auf einigen größeren privaten Fernsehsendern Werbung für eine Blasenhexe. Sie fragen sich, was das ist? Gut so!

Wenn man erst nur den gesprochenen Begriff hört, denkt man bei Blasenhexe zuerst an ein Wundermedikament, das Blasen an den Füßen entfernt, oder an etwas, das eine Blasenentzündung ruckzuck weghext. Dann sieht man aber, worum es geht – es ist ein Spiel für Facebook und Handy, das eigentlich „Bubble Witch Saga 2“ heißt.

Screenshot der Spiele-App Bubble Witch Saga 2
Titel Bubble Witch Saga 2 © King Digital Entertainment

Es ist schon kurios – da macht sich mal jemand die Mühe und übersetzt einen (noch gar nicht mal wahnsinnig exotischen) englischen Begriff aus der Tech/Entertainment-Welt – und dann bin ich wieder nicht zufrieden. Die Übersetzung ist aber einfach nicht attraktiv. Warum man hier nicht einfach den Originaltitel ließ, der im Werbefilm ja auch auf dem Bildschirm eines exemplarischen Anwendungsgerätes erscheint, ist mir schleierhaft.

Da man nicht nur kritisieren soll, sondern auch konstruktiv unterstützen, hier eine schlichte, aber effektive Alternativlösung zur Vermarktung dieses Casual Games: Man hätte zum Beispiel von der Hexe mit den Seifenblasen sprechen können. Auch Zauberblasen wären eine Option gewesen – einfach und verständlich, dennoch nicht hässlich, und nicht zu lang für den Off-Text. Was bei der Namensfindung wichtig ist, finden Sie auf der Website der Namensagentur.

Hier, wie das Spiel in Aktion aussieht:

Screenshot der Spiele-App Bubble Witch mit vielen bunten Blasen
Screenshot Bubble Witch Saga 2 © King Digital Entertainment

PS: Vielen Dank an Komm.Passion bzw. King Entertainment für das Bildmaterial.

Berater vs. Verkäufer in der Bank – welcher Titel ist wahr?

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Banken veröffentlichen müssen, welche Provisionen beim Verkauf von Produkten fließen. Bei der Beratung zu Produkten fließt ja kaum eine Provision, dennoch heißen die Bankmitarbeiter, die z.B. Investmentfonds verkaufen, nicht Verkäufer, sondern tragen den Titel „Berater“. Vertreter der Verbraucherzentralen, wie Herr Nauhauser am 24.07.2014 in der Süddeutschen Zeitung, konstatieren nun, dass es sich bei solchen Bankmitarbeitern keinesfalls um Berater handeln könne, sondern nur um Verkäufer, die sich auch nicht mehr Bankberater nennen dürfen sollten.

Berater oder Verkäufer? Für Bankangestellte passender Titel?

Denkt man ein wenig nach, fragt man sich unweigerlich, wie Bankverkäufer genannt wurden, bevor sie zu Beratern wurden. Denn auch früher schon wurden z.B. Aktien mit entsprechenden Spesenrechnungen verkauft. Vor 50 Jahren hießen solche Mitarbeiter schlicht Bankbeamte, später Kundenbetreuer. Die Beraterwerdung kam dann stetig in den 90ern mit dem steigenden Beratungsanspruch (und Verkaufsdruck) der Banken.

Aber ist ein Begriff wie der Berater wirklich verbietenswürdig? Und ist der Titel des Beraters per so unvoreingenommen und neutral? Ich vermute, hier sitzen die Kritiker der Banken einem Irrglauben auf. Gehe ich zu einer kirchlichen Beratungsstelle, so ist es möglich, dass die Entscheidungen vom kirchlichen Hintergrund beeinflusst werden. Gehe ich zu einem Vermögensberater, so muss dieser auch nicht objektiv sein. Wo wäre so etwas festgeschrieben? Beratung ist nicht gesetzlich gleichbedeutend mit Neutralität.

Verkaufen ist allgegenwärtig. Soll man einen Arzt, der einen teuren Eingriff empfiehlt für ein Problem, das auch anders gelöst werden könnte, nun als Verkäufer bezeichnen? Dabei hat er sogar einen Doktortitel. Es wäre vielleicht der Situation angemessen, wird aber nicht passieren. Wäre also ein Kundenbetreuer in der Bank besser aufgehoben als ein Berater? Ich muss gestehen, ich sehe hier nur graduelle Unterschiede, und ehrlich gesagt möchte ich den Bankleuten auch keine Schilder mit „Verkäufer“ zumuten, die man nicht mal an den Angestellten bei Media Markt oder Aldi sieht. Auch wenn es ehrlich wäre.

So dreht sich das lustige Begriffskarussell wohl weiter. Der Küchenverkäufer ist auch zu einem Küchenberater geworden. Und letztlich gilt halt einfach: Jeder ist zu einem gewissen Maß für sich selbst verantwortlich, und es sollte sich jeder Gedanken über seine Umwelt machen. Dass Banken nicht von gratis Girokonten und vom Ausführen kostenloser Überweisungen leben können, das sollte auch dem letzten Bankkunden einleuchten.

Praxisbeispiele für gelungene Projekte der Namensentwicklung, neu und doch gut verständlich, finden Sie auf meiner Projektseite.

Wie man einen Begriff ausschlachtet und Geld damit macht

Der Mittelstand – Ausbeutung und Abwertung eines Begriffs.

Haben Namen tatsächlich Macht? Können Namen etwas bewegen? Diese Fragen hört man als Namensexperte häufig. Definitiv ja. Hier ein Beispiel, wie fatal diese Macht sein kann. Wenige Begriffe in Deutschland sind so positiv besetzt wie „der Mittelstand“. Der Mittelstand in Deutschland steht für Familienunternehmen, die zwischen 100 (wie der oberbayerische Messspezialist Steinbichler, ein klassischer Hidden Champion) und durchaus 20.000 Mitarbeiter haben können (z.B. der Maschinenbauer Trumpf). Mittelständler gelten als solide finanziert und stehen auf der Skala der Vertrauenswürdigkeit den Finanzinvestoren (Stichwort „Heuschrecken“), diametral gegenüber. Klar definiert (vielleicht sogar gesetzlich) ist der Begriff aber nicht. Klar hingegen ist, dass sich mit dem Begriff gerade im Finanzsektor sehr gut werben lässt.

Die Idee

Im Jahr 2010 hatte die Börse Stuttgart die Idee, eine neue Geldquelle zu erschließen. Die Zinsen waren im Sinken und mit Anleihen ließ sich wenig Geld verdienen. Die Zahl der Privatanleger, die dem Autobauer VW zu 2,5% sicher, aber mager verzinst, Geld leihen wollten, wurde überschaubar. Also schuf man das neue Anleihensegment „Bondm“ Dass diese hochrentierlichen und hochriskanten Anleihen insbesondere für Privatanleger gedacht waren, darauf deutete bereits die typische Stückelung von 1.000 Euro hin (nicht 50.000 oder 100.000 Euro wie für institutionelle Anleger). Der Namenshintergrund „Handelssegment für Anleihen mittelständischer Unternehmen“ war attraktiv und wurde von der Öffentlichkeit schnell adaptiert als: Mittelstandsanleihen. Entsprechende Fonds beziehen sich auch auf diesen Begriff. Der Erfolg war groß, die Frankfurter Börse zog bald nach. Als Zeichen für die Dimensionen des Themas und des Gelderlöses kann die Google-Suche gelten. Wenn man bei Google „Mittelst“ eingibt, ergänzt die Vorschlagsfunktion schon an zweiter Stelle – nach dem puren Begriff – genau – Mittelstandsanleihen.
Emissionskandidaten für diese Anleihen gab es zuhauf in Deutschland. Wer aber mit Mittelstandsunternehmen wie dem Antennenspezialisten Kathrein oder dem Maschinenbaukonzern Voith gerechnet hatte, der sah sich getäuscht. Es kamen aussichtsreiche Kandidaten ans Licht[IB4], aber auch solche, die schlicht auf keinem anderen Wege mehr Geld beschaffen konnten. Mit dem eingenommenen Geld lösten sie z.B. einfach Altschulden ab. Lustigerweise waren darunter sogar Finanzinvestoren, die für die Benamung der Anleihen wohlklingende Markennamen ihrer Töchter verwendeten.

„Mittelstandsanleihen“

Die Privatanleger – nun ja, sie tappten in die Falle. Sie wunderten sich auch 2014 nicht, warum man für eine Brasilienanleihe 4% und bei VW 1,5% bekommt, aber hier, im Mittelstand, lässige 7,5%. Also Zinsen, die auf dem gewöhnlichen Markt überhaupt nicht zu erreichen waren. Hätte man da stutzig werden sollen? Ja, hätte man werden können und sollen. Der Segmentname „Mittelstandsanleihen“ hat sicher sein Scherflein dazu beigetragen, das Gesamtvolumen von mittlerweile weit über 5 Milliarden Euro bei der optimistischen Masse unterzubringen. Aber ein Teil der Firmen kann mittlerweile seine Anleihen wegen Problemen wie z.B. Insolvenz nicht mehr bedienen. Weder Zinsen noch die Anleihe selbst können zurückgezahlt werden. Und die Liste der Ausfälle wird länger und länger: Solar Millennium, Alpine Holding, WGF, SIAG Schaaf, Solarwatt, Getgoods, SiC Processing, Rena, Strenesse, Zamek. Der englische Begriff „Junk Bond“, also auf Deutsch „Ramschanleihe“ wäre passender gewesen. Oder die Neuschöpfung der „Sub-Junkbonds“. Übersetzen kann diesen Namen jeder still für sich.

Symboldarstellung einer Kursentwicklung bei Mittelstandsanleihen
© Namensentwicklung Werner Brandl

Geschick oder Etikettenschwindel?

Vermutlich beides. Es war natürlich eine astreine Ausbeutung des Begriffs „Mittelstand“ durch Irreführung und Täuschung – aber wer hätte dagegen angehen können? Der Mittelstand, der nicht mitmacht bei solchen Finanzierungsrunden? Selbst wenn die Ausfallquote in diesem Segment von derzeit 20 Prozent noch weiter steigt, den positiven Ursprungsbegriff selbst können hoffentlich die beteiligten Ratingagenturen, Börsen, Banken und Unternehmen, die hier wirken, langfristig nicht zugrunde richten. Wie gesagt, hoffentlich.

Der Begriff „Mittelstand“ hat leider Schaden genommen, der Ruf des Mittelstands ist durch die Mittelstandsanleihen ramponiert. Auf seinem Rücken sind Geschäfte gemacht worden, die originär nicht dazu passen. In Milliardendimensionen ist Geld verdient – und verloren worden. Einem soliden Mittelständler kann man sicher nicht dazu raten, sich in diesem Segment zu exponieren.

PS: Der Lackieranlagenbauer Dürr hat seine neue Anleihe nicht mehr in diesem Segment platziert, sondern ganz konventionell bei den Unternehmensanleihen an der Börse. Gratulation! Und die Semper idem Underberg, die Ihre Marke „Underberg“ für die Platzierung im Mittelstandssegment genutzt hatte, verlegt sich gleich auf eine Privatplatzierung. Ach ja, und eine neue Pleite gibt es auch: Mox Telecom, mal ein etwas überraschenderer Kandidat. Hier mehr dazu. Das ist natürlich nicht der aktuelle Stand, denn fast täglich kommen neue Unternehmen dazu.

 

Marke „Stadt, Land, Fluss“ – Exempel und (gescheiterte) Statuierung

Wie zu lesen war, ist „Stadt, Land, Fluss“ zwar eine Marke für Spiele, dennoch kann der Name auch von einem anderen Spieleanbieter verwendet werden. Wie kann das sein? Was sagt das Markenrecht? Der Reihe nach.

Ein App-Entwickler brachte vor einigen Monaten eine App mit dem Namen „Stadt, Land, Fluss“ auf den Markt, also in die online-Stores. Jeder kennt dieses Spiel noch aus der Kindheit, man braucht nur den Kopf, einen Zettel und einen Stift dazu, und natürlich (vor der App) mindestens zwei Spielwillige. Ein Spieleverlag wollte diesem nun untersagen, den Namen für das Spiel zu verwenden, weil er ja die Markenrechte an diesem Namen habe. Also an einem Namen, den jeder kennt und generisch verwendet. Wie kann der überhaupt als Marke geschützt sein und auf dieser Basis anderen dessen Verwendung untersagt werden?

Stadt Land Fluss - Zettel mit Spalten

Vor einigen Jahren brachte der Spieleverlag Schmidt ein solches Spiel als Fertigversion auf den Markt, wo man die Spalten nicht selber ziehen muss und die Kategorien schon eingetragen sind. Das Ganze wurde unter dem bekannten Namen „Stadt Land Fluss“ eingeführt. Und jetzt wird es interessant. Für den Namen „Stadt Land Fluss“ beantragte Schmidt eine Marke, die vom deutschen Markenamt auch gewährt wurde. Zu verstehen ist diese Entscheidung nur schwer, denn der eingetragene Begriff ist für solche Spiele ungefähr das, was Fruchtjoghurt für Fruchtjoghurt wäre. Also hochgradig generisch, beschreibend, und freihaltebedürftig. Egal, die Marke wurde eingetragen.

Nun wird es aber noch interessanter, denn der Sinn einer Marke ist ja nicht nur sie zu haben, sondern damit eigene Pfründe zu sichern und verteidigen zu können. Und hier zeigte sich, wieso solche schwachen Marken, selbst wenn sie eingetragen sind, eben keine Wundermittel sind. Das sind sie nämlich nur, solange der andere (der Angegriffene oder der angeblich Verletzende) Angst hat. Wenn er sich wehrt, kann die Sache ganz anders ausschauen (und ausgehen). Genau das ist hier passiert. Der Appentwickler nahm den Fehdehandschuh auf, ließ sich nicht einschüchtern, und so kam es nun zu der gerichtlichen Entscheidung, dass hier keine Markenverletzung vorliegt. Die Begründung ist einfach: Jeder darf den Begriff verwenden, um das Spiel damit zu beschreiben, und wenn er ihn nicht als Marke verwendet (hierüber kann man natürlich trefflich streiten, nur am Rande bemerkt).

Die ganze Sache ist sehr lehrreich, zeigt sie doch das sehr limitierte tatsächliche Abwehrpotential solch extrem beschreibender Marken, die dennoch Ziel der Begierde vieler Markenanmelder sind. Eine psychologische Abschreckungswirkung solcher Eintragungen mag aber im täglichen Leben durchaus existieren, und sie kann diese manchmal aus taktischen Gründen auch rechtfertigen.

 

PS: Im vorliegenden Fall wäre es sicher auch eine interessante Vorgehensweise gewesen, die Abwehr der Verletzung mit einem Antrag auf Löschung der Marke zu verknüpfen. Ob so etwas richtig und sinnvoll ist, kann aber nur ein spezialisierter Anwalt entscheiden.

 

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