Ländermenschenprodukte: Der Russ, der Amerikaner, der Filipino

Ideen für Namen – so viele sprudelnde Quellen

Der eigene Nachname? Das Lieblingssternzeichen? Ein griechischer Gott? Der Vorname der eigenen Tochter? Dies sind nur vier von unzähligen Möglichkeiten, einen Namen für ein neues Produkt oder Unternehmen zu finden. Ein etwas randständigeres Prinzip – sicher nicht in den Top 10 der Namensmuster – schauen wir uns heute hier an. Man begegnet ihm ab und zu, und wundert sich dabei, welche Hintergründe es hat. Worum es geht? Länderzugehörigkeitsnamen. Also so was wie „Engländer“, „Amerikaner“ oder im Bayrischen „Russ“ und so weiter. Was ist ihr Länderbezug? Was sagen sie uns?

Ein bayerischer Klassiker: Der „Russ“

Der „Russ“ ist ein bayerischstämmiges Biermischgetränk, quasi der Bruder vom Radler, fabriziert aus Weißbier und Zitronenlimo. Gebräuchliche, traditionelle Maßeinheit beim Russn ist die Mass, also die Russn-Mass, eine Doppelhalbe, und so ein Bruder im Geiste von anderen Massen mit klingenden Namen wie Laterndl-Mass, Goaßnmass etc. Man kann aber auch einfach einen Russ bestellen, das ist dann eine Halbe. Den gibt es mittlerweile auch fertig gemischt in der Flasche. Hier eine Flasche „Natur Russ“ von Franziskaner, umrahmt von Geschwistern mit dem allgemeinen Namen „Weißbier-Zitrone“ aus dem gleichen Konzern, nur unter der Marke Paulaner:

Drei Sorten Weißbier Zitrone / Russ von Paulaner und Franziskaner

Die dunkle Variante davon, also Weißbier mit Cola, war lange bekannt unter dem Rufnamen „Neger“. Ein Name, der politisch nicht mehr korrekt ist, weil mit ihm negative Konnotationen verbunden sein können. Mitunter wird er trotzdem weiterverwendet, vermutlich oft auch ohne böse Gedanken.

Aber woher kommt jetzt der Name „Russ“? Beim Bayerischen Brauerbund hat man eine sehr schöne Erklärung parat: „Nach dem Ersten Weltkrieg trafen sich die kommunistischen Anhänger der Räterepublik im Münchner Mathäser-Keller. Damit sie während der Sitzung nicht zu schnell müde wurden, mischten sie Weizenbier mit Zitronenlimonade. Im Volksmund von München wurden die Anhänger der Räterepublik als Russen bezeichnet. Dieser Begriff setzte sich auch schnell für deren Lieblingsgetränk durch.“
Ich finde, das klingt plausibel und nachvollziehbar.

Beim Russn könnte das mit dem Namen langfristig noch spannend werden, denn der Begriff für sich ist sicher nicht diskriminierend und auch nicht einfach negativ. Mal sehen, was Putin noch machen muss, damit der Russ kein Russ mehr sein kann.

Ein Novize: Der „Mexikaner“ im Glas

Der Mexikaner ist ein alkoholisches Mischgetränk mit einer netten Entstehungsgeschichte. Es handelt sich im Prinzip und den Shot einer leicht abgewandelten, schärferen Bloody Mary. Der Drink hat mit Mexiko herzlich wenig zu tun, belegt aber, dass man sich umso tollere Sachen vorstellen kann, je weniger man über das Behandelte weiß.

Ein sinkender Stern: Der „Amerikaner“ zum Anbeißen

Ein eher bescheidener Gebäckgenuss auf Rührteigbasis. Für meinen Geschmack ist der Amerikaner auf dem absteigenden Ast der Popularität. Er war immer relativ günstig, sehr süß und gut satt machend im Vergleich zu anderen Feingebäcken. Der Name hat vermutlich mit der Besatzungsmacht USA nach dem II. Weltkrieg zu tun, so richtig klar ist das aber nicht.

Eine Umwandlung: Die „Filipinos“ zum Knuspern

Fragt mich nicht, warum die Dinger so heißen. Sie werden in Spanien produziert und sehen aus als wären sie kreisförmige Kekse mit Schokoladenüberzug.

filipinos Kekse Päckchen
© Werner Brandl

Bei World of Sweets heißt es dazu: „Die knusprigen Kekse von Filipinos wurden aller Wahrscheinlichkeit nach von dem philippinischen Gebäck Rosquillos inspiriert – flache Mürbeteig-Gebäckringe. Filipinos sind krosse Ringe aus hellem oder braunem Keks-Teig und einer Ummantelung aus Milch-, dunkler oder weißer Schokolade. Ob zu Kaffee, zu Tee oder als Snack für unterwegs sind sie bei Jung und Alt beliebt.“

Ländernamen vs. Städte und Regionen

Während es nur ein Deutschland gibt, und nur gut 200 Länder auf der ganzen Welt, liegt innerhalb eines Landes die Auswahl an Städtenamen und Regionen im sechsstelligen Bereich. Besonders üppig ist das Angebot der Orts- und nicht Ländernamen natürlich im Wurstsegment. Was es da nicht alles gibt: Nürnberger, Krainer, Lyoner, Wiener, Frankfurter. Hier finden Sie einen schönen allgemeinen, nicht auf Wurst fokussierten Überblick über die Lebensmittel mit registrierten geografischen Angaben in Deutschland – vom Bier bis zum Spargel.

Damit sind wir auch schon beim Berliner und beim Hamburger. Wir sehen schon, die Städte und Gegenden halten eher her als die Ländernamen. Wer kennt schon einen Österreicher oder was wäre ein Norweger (wenn nicht ein Pulli)?

Ähnlich, aber doch anders: Die Benennung in der Gastronomie

Wenn Deutsche zum Essen gehen, gehen sie zum Italiener oder zum Griechen oder zum Äthiopier. Auch der Österreicher funktioniert. Hier haben sich die Länderzugehörigkeitsbezeichnungen als Ortsangaben etabliert. Linguistisch handelt es sich schlichtweg um Metonymien. In Deutschland gibt es das sogar institutionalisiert. Der herausragend gute koreanische Imbiss in der Münchner Amalienstraße heißt zum Beispiel einfach „Zum Koreaner“ 😉

Der Italiener / Zum Italiener als Lokalbezeichnungen

Interessant ist dies vor allem im Kontrast zu anderen Sprachen wie etwa dem Französischen. Da kann man nur sagen „je vais manger italien“ oder „je vais manger dans un restaurant italien“, aber zum Menschen selber kann man nicht gehen. Im Englischen ist es analog. Man braucht noch ein „restaurant, place, food“ oder Ähnliches, je nach Konstruktion. Auf jeden Fall braucht man etwas, das durch die Länderangabe näher bestimmt wird.

Warum das im Deutschen anders ist? Warum da der Mensch mit seiner Nationalität für das Lokal stehen kann? Schreiben Sie es in die Kommentare, wenn Sie es wissen.

Fazit: Vielleicht doch lieber andere Quellen anzapfen

Sollte man also sein neues Produkt „Schweizer“ oder „Rumäne“ nennen? Naja, kann man machen, muss man aber nicht. Der Weg in der Vergangenheit führte nicht umsonst oft über den Volksmund und nicht über das Markenamt. Denn dort müsste man auch erklären, ob das Produkt über einen besonderen Bezug zur gewählten Nationalität verfügt oder vielleicht irreführend ist. Insgesamt weist dieser Namenstyp wenig Vorteile fürs klassische Branding auf. Dafür ist er unterhaltsam und bietet Gesprächsstoff.

 

PS: Früher – Zangen und Schlüssel

Traditionell stark sind die Länderbezeichnungen bei Werkzeug. Erwähnt seien nur der „Engländer“ für den Rollgabelschlüssel, der „Schwede“ für die Rohrzange und der „Franzose“, ein verstellbarer Schraubenschlüssel mit beidseitigem Maul. Wenn Sie sich dafür interessieren, wieso diese Namen vergeben wurden, empfehle ich die entsprechenden Artikel auf Wikipedia, die hier verlinkt sind.

 

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