Was ist ein Strohschwein?

Bis vor ein paar Jahren gab es keine Strohschweine. Zumal man Schweine ja eher mit Erde und Suhle in Verbindung gebracht hätte als mit sprödem Stroh. Ganz früher gab es Wiesenschweine, ist aber schon sehr lang her.

Mehrere Schweine auf einer Wiese
© accept001/Shotshop.com

Seit einiger Zeit werden die Strohschweine immer mehr, vor allem auf den Speisekarten von Restaurants. Da es ja offensichtlich kein Weideschwein ist (eine Weide würde dem Schwein wahrscheinlich auch gut gefallen), aber auch kein Betonschwein (der klassische Wohnort des Schweins), hat es einen eigenen Namen bekommen: Strohschwein klingt gut, ein bisschen idyllisch, und letztlich nach gutem Gewissen. Hält der Begriff, was er verspricht?

Wann ein Strohschwein ein Strohschwein ist

Zunächst – das Strohschwein ist nicht gesetzlich geregelt. Also nicht so wie z.B. der „Schwarzwälder Schinken“, der als Name nur verwendet werden kann, wenn das Räuchern des Schinkens im Schwarzwald stattfindet (woher das Schwein kommt, ist egal). Verschiedene Fleischanbieter bieten je eigene Regeln, wann sich ein Schnitzel das Siegel „Strohschwein“ verdient hat.

Wir schauen uns zwei große Anbieter an. Die Südbayerischen Fleischwaren (eine Edekatochter) haben folgende Kriterien: 40% mehr Liegefläche für jedes Schwein als gesetzlich vorgeschrieben. Statt 0,75qm hat ein 90 kg schweres Schwein dann also die Fläche von 1,05qm zur Verfügung. Zudem gibt es als Besonderheit Fenster im Stall und frische Luft. Auf dem Boden liegt auf der Hälfte der Fläche Stroh, im Liegebereich vollständig. Mit dem Stroh dürfen die Tiere sich auch beschäftigen und spielen. Ein kleiner Teil des Bodens ist der klassische Spaltenboden. Es gibt nicht viele weitere harte Regeln für die 200 teilnehmenden Bauern. Das Futter sollte regional und es muss gentechnikfrei sein. Im Ergebnis entspricht das Haltungsform 3. (Bitter genug, dass die Fleischindustrie selbst die Einführung von verbesserter Tierhaltung anstoßen und umsetzen muss / darf.)

Beim Verein für Strohschweine werden ein paar weitere / andere Kriterien genannt, denn die beiden Strohschweine, die so gleich klingen, haben nichts miteinander zu tun: 400g Stroh pro Tier pro Tag, nur bis zu 4h Transportweg zum Schlachthof in der Nähe, 30% mehr Liegefläche als gesetzlich, also etwas weniger als bei der Edekatochter. Hier wird auch darauf hingewiesen, dass die Schweine so weniger oft Beinverletzungen und Knieverletzung erleiden. 100% eine gute Sache, wenn man nur daran denkt, dass der weit überwiegende Teil der konventionell gehaltenen und geschlachteten Schweine mehr oder weniger schwer krank ist (und oft in diesem Zustand gar nicht geschlachtet und verspeist werden sollte).

Schweine im Stall, Tierproduktion
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Der Name passt – auf jeden Fall aus geschäftlicher Sicht

Also – Strohschweine haben es besser als Normschweine. Das ist hervorragend und eine positive Entwicklung in der Tierproduktion. Von „gutem Leben“ kann man noch nicht sprechen, aber es ist ein Fortschritt. Verspricht der Name mehr als er hält? Das kann man so und so sehen.

Den Marketingverantwortlichen kann man gratulieren zur Erfindung des Strohschweins. Das Strohschwein zeigt auch den großen Vorteil von Namen, die Bilder im Kopf erzeugen und nicht einfach durchnummerieren. Es ist ein guter Name, der bei den Verbrauchern idyllische Bilder wachruft und einen Preisaufschlag rechtfertigt. Ganz so idyllisch ist es in der Wirklichkeit noch nicht, aber die gesetzlichen Vorgaben für die Tierhaltung sind halt wie sie sind.

Strohschwein

Spannend wäre noch ein ganz anderer Weg der Kennzeichnung: Wirklichkeitsbezogene Begriffe für die konventionelle Haltung:

zwei alternative Bezeichnungen für konventionell gehaltene Schweine

 

PS: Ein großer Metzger wie Gassner verweist für seine Strohschweine darauf, dass hier keine Spaltenböden verwendet werden (die die Tiere sowohl an Füßen wie Lungen krank machen), sondern Strohböden mit einem wie auch immer gearteten Untergrund. Für die Verbraucher macht es das nicht leichter, wenn das Strohschwein unter gleichem Namen verschieden gehalten werden kann.

 

3 Antworten auf „Was ist ein Strohschwein?“

  1. Hallo lieber Werner,
    du beschreibst es ganz genau. Auch ich habe mir eine Landidylle für die Strohschweine vorgestellt. Im Rahmen eines Nachhaltigkeitsprojektes unserer Stadt Lippstadt (Ideenstadt – auch so ein Name), bin ich jetzt auf deine Recherche gestoßen. Wie haben die Strohschwein-Würstchen schon öfter gegrillt und uns einen Spaß aus dem Namen gemacht.

    Im Sinne der Biodiversität wären Suhl-Schweine besser. Denn dann hätte auch die Natur was davon. Also Käfer, Würmer…Aber immerhin eine etwaige Verbesserung haben die Schweine auf Stroh.
    Danke also für deine Recherche…darf ich das verwenden für meine Recherche?
    Gruß
    Christel

  2. “Ich hätte gern ein Bier und dazu das Betonschweinefilet an Röstkartoffeln und Brokkoliröschen”… hmm, da läuft einem doch gleich das Wasser im Mund zusammen!
    Danke für den erhellenden Artikel, heute abend gibt´s auf jeden Fall was Vegetarisches.

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