Verrückter neuer Name für rauen Hals: Streptokokken

Neulich erzählte eine Freundin, ihre Kinder seien krank gewesen. Was sie denn gehabt hätten? Na, Streptokokken. Sie benannte tatsächlich nicht die Krankheit des Kindes, der bedrohliche Erreger schien da die bessere Wahl. Da fühlt man sich in einem tiefen, dunklen Tal.* Warum und was ist hier passiert?

Fangen wir mal ganz einfach und von vorne an:

  • Was sind Streptokokken? Eine Familie von Bakterien, also ganz kleine Tierchen.
  • Was machen die so? Manchmal tun sie Krankheiten auslösen, und zwar die verschiedensten, z.B. Halsentzündung, Mandelentzündung, aber auch Hirnhautentzündung oder Karies.
  • Wo kommen die vor? Überall, dauernd. Mit quasi 100%iger Wahrscheinlichkeit haben auch SIE genau in diesem Moment welche an oder in Ihrem Körper. Deshalb gleich die nächste Frage:
  • Sind die gefährlich? Ja und nein. Meistens nicht, aber manchmal schon, wenn sie überhandnehmen und einen (sehr) krank machen. Und manche sind harmlos, andere sehr gefährlich.

Früher hatte man dann eben eine Krankheit, z.B. eine heftige Halsentzündung. Heute hat man den Erreger** (der aufgrund seiner Vielzahl von Unterarten und Unterstämmen eben noch eine Vielzahl anderer Krankheiten draufhat) – die Streptokokken halt (wobei ich vermute, dass Menschen mit Hirnhautentzündung eher dazu tendieren zu sagen, sie hätten Hirnhautentzündung, als Streptokokken – denn sonst wären sie ja wieder auf einer Ebene mit den Rauhälsen). Nachdem wir nun stark ahnen, dass das Blödsinn ist und kaum hilfreich, stellt sich zwingend die Frage: Wem hilft diese vermeintliche Präzision?

Nun, zunächst vermutlich mal dem Arzt, denn der (und natürlich auch der Kunde, also der Patient) hat ein klares Feindbild. Der Arzt kann seine Standardantibiotika verschreiben, und Augenmaß ist nicht mehr vonnöten, nachdem der Feind auch bei einer nicht lebensbedrohenden Erkältung so klar bezeichnet ist. Wer auch noch was davon hat, sind natürlich diejenigen Patienten, die nicht normale Krankheiten haben wollen, sondern etwas Klingendes, etwas Beeindruckendes, aber auch etwas Bedrohliches und Fremdliches, z.B. so etwas wie – genau – Streptokokken.

So bleibt zu konstatieren, dass auf diese Weise natürlich weder die Therapien besser werden noch die Patienten schneller gesund oder besser behandelt werden, da de facto ungenauer gearbeitet wird als bei den so simpel bezeichneten traditionellen Krankheitsbildern. Aber darum geht es wohl auch nicht. Sondern es geht: um die Macht der Namen.

* Analog könnte man einen Freund nach einer durchzechten Nacht fragen was er getrunken habe und er eröffnet: Getränke. Oder jemand antwortet auf die Frage, was es zum Essen gegeben habe, verschiedene Nahrungsmittel.

** Bei solchen Krankheitsbildern steckt meist Streptococcus pyogenes dahinter, wenn man schon präzise sein will.

Hier noch ein Portrait einer Streptokokke, einfach  damit Sie sich alles noch besser vorstellen können:

Zeichnung einer Streptokokke - neues Synomym für Krankheiten

Umbenennung: Gildemeister wird DMG Mori Seiki

Vor kurzem waren in der Presse ganzseitige Anzeigen zu bestaunen: Aus Gildemeister wird DMG Mori Seiki. Für die Nicht-Maschinenbauer: Gildemeister ist eines der größten deutschen börsennotierten Maschinenbauunternehmen. Die meisten großen und größeren in dieser Branche sind ja „klassischer Mittelstand“ und somit nicht börsennotiert.

Interessant an der Namensänderung ist vor allem das erste Element. Mori Seiki, das zweite, ist ja einfach der (letztlich übernehmende) japanische Partner in diesem Merger bzw. Fusion. Aber was ist DMG? Meine Anfrage an Gildemeister blieb leider unbeantwortet. Deshalb hier der gewagte und völlig rückwärts gerichtete Erklärungsversuch: DMG steht für Deckel Maho Gildemeister, also für drei Unternehmen, die es nicht mehr gibt bzw. die von Gildemeister vormals geschluckt wurden. Die Pleiten von Deckel und Maho sind vielen (mittlerweile wohl älteren) Anlegern noch gut (naja, eher wohl schlecht) in Erinnerung. Falls diese Erklärung stimmt, stellt sich die Frage, warum man so etwas macht. Falls nicht, ebenso. Vielleicht weiß ja einer der Leser mehr zum Hintergrund der Umbenennung.

Neuer Name – alter Duft: Brise wird Glade Namenswechsel

Subtiler Namenswechsel im Raumerfrischersegment!

Mit Brise konnte man sich auch ohne Lüften ein angenehmes Zuhause bescheren. Egal ob im Wohnzimmer, in der Küche oder im Bad. Brise sorgte mit seinen Produkten immer für frischen Wind auch in stickigen Räumen – und das seit Anfang der 80er Jahre. Ab Ende dieses Jahres heißt Brise aber Glade.

Brise Moments Name vor Umbenennung
Vor dem Namenswechsel
Packung Glade by Brise, nach der Umbenennung
Während des Namenswechsels

Als Nachfolger von Brise gehört Glade zur SC Johnson Gruppe, die unter diesem Namen weltweit Artikel rund um das Thema Lufterfrischer vertreibt. Nachdem jahrelang für eine frische Brise gesorgt wurde und sich der deutsche Markenname etabliert hat, setzt SC Johnson jetzt auf die Kernmarke des Konzerns. Eine solche Ausnahme, nicht von Anfang an mit der Original-Marke zu werben, gab es bisher bei Glade nur ein Mal: in Brasilien. Hier wurde die Marke – aufgrund der Schwierigkeiten mancher Brasilianer mit englischen Begriffen – unter dem Namen Gleid verkauft. Aber nur so lange, bis die Marke von den Konsumenten angenommen war und korrekt ausgesprochen wurde. Heute läuft der Vertrieb dort ausschließlich unter Glade. Die Umbenennung war erfolgreich, der Namenswechsel sinnvoll, da effizient.

Vielleicht wurde für den deutschsprachigen Raum eine ähnliche Problematik angenommen. Zumal ja selbst Kenntnis von der Bedeutung des englischen Wortes ‚glade‘ nicht vor Verwirrung schützt. Letztendlich folgt SC Johnson aber einfach einem Trend, der nun selbst den Lufterfrischermarkt erreicht hat: Internationalisierung des Markennamens. Große Marken wie Febreze und Airwick haben die Namenswechsel bereits vorgemacht. Wollen wir hoffen, dass sich die Leute schnell an die neue Brise gewöhnen.

Vielen Dank an Natja Henkenjohann von Edelman für Bildmaterial und Informationen!

PS: Hier gibt’s noch mehr Infos zu Markennamen und Markenstrategien!

Beweis gefunden: Namen wirken und machen den Unterschied I

Was haben wir nicht alles der Forschung zu verdanken – nun sogar den Beweis, dass Namen einen Unterschied machen. Es war ja weitflächig in der Presse, dass Kinder laut einer amerikanischen Studie Gemüse bzw. Rohkost lieber essen als das traditionell generisch benannte, dass also z.B. „Power Punch Broccoli“ besser ankommt als „Broccoli“. Schön.

Ohne Studiendesign und Methodik genauer zu kennen und insbesondere ohne Wissen über die Langzeitwirkung möchte ich deshalb das Augenmerk auf einen ganz anderen Aspekt legen: Die Anregung für die Studie scheint eins zu eins aus den erfolgreichen Charlie & Lola Filmen bzw. Büchern übernommen worden zu sein, wo Charlie seiner Schwester diverse Lebensmittel mithilfe sehr netter neuer Namen schmackhaft macht.

So nennt Charlie die Fischstäbchen eben nicht mehr „fish fingers”, sondern „ocean nibbles from under the sea”, die Gelberüben heißen nicht mehr „carrots”, sondern, „orange twiglets from Jupiter”, Erbsen sind nicht „peas”, sondern „green drops from greenland”. Hier können Sie sich selbst ein Bild machen (ist übrigens lustig!):

– Nachtrag Dezember 2012: An dieser Stelle war der Videokasten. Das Video wurde leider aus Youtube entfernt und war so nicht mehr zugänglich. –

Mal ganz ehrlich: Wen überrascht es, dass attraktive, spannende, ungewöhnliche, ungewohnte Namen für völlig bekannte und vertraute Dinge Neugierde wecken und auch das Verhalten beeinflussen? Bitter wäre es andersherum.

 

Naming bei Zugnamen in Österreich – Werbeworte statt Orte

Immer wieder beim Besuch im Nachbarland Österreich fällt einem Erstaunliches auf. Zum Beispiel die Produktnamen von Telering sind wirklich denkwürdig und wären in der deutschen Mobilfunkwüste eine wahre Oase. Es gibt aber auch erstaunliche, im Sinne von „eigenartige“, Beispiele für kommerzielles Naming. Konkret: Wer erinnert sich noch an die Umbenennung der deutschen Züge? Plötzlich hieß Heinrich Mercator nicht mehr Heinrich Mercator, sondern Günzburg. So ähnlich wie bei der Lufthansa, die war wohl das Vorbild. In Österreich haben die Züge auch Namen. Richtig denkwürdige Namen, die wohl in einem Verkaufs- oder Auktionsverfahren ermittelt werden. Beispiele gefällig? Here we go:

ÖBB IC 542 Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang
ÖBB IC 515 AFS Austauschprogramme
PBB IC 732 Kelag Energie Express
ÖBB IC 691 Bildungsmessen.at
ÖBB EC 536 Jacques Lemans
ÖBB EC 790 Hermann Gmeiner
ÖBB EC 531 Stadttheater Klagenfurt
ÖBB IC 693 betriebliche-altersvorsorge.at

Die Bandbreite ist also groß: von SOS Kinderdorfgründern über Uhrenmarken bis zu Skigebieten und Websites ist alles möglich. Andere, wie der ÖBB IC 534 haben keinen Namen, da steht dann halt nix.

Eine lustige Sache. Da könnte die Deutsche Bahn sich noch eine Scheibe abschneiden. Ich weiß allerdings nicht, in welchem Turnus die Namen vergeben werden bzw. gültig sind. Wahrscheinlich ist es einfach so wie bei den deutschen Fußballstadien.

 

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