Update Umbenennung – game over Mittelstandsanleihen

Im Juli 2014 habe ich mich ausführlich mit der zweckorientierten Verwendung des eigentlich positiv besetzten Begriffes „Mittelstand“ im Segment der sogenannten „Mittelstandsanleihen“ auseinandergesetzt.

Symboldarstellung der Kursentwicklung bei Mittelstandsanleihen

Da ist es interessant zu erfahren, dass die Börse Düsseldorf (immerhin schon 25% Insolvenzen bei den begebenen Anleihen) nun gegensteuert. Der Name für diese riskanten Anleihen mit hohem Verlustrisiko ist mittlerweile so negativ, dass deutliche Veränderungen notwendig wurden. Die Irreführung ist zu offensichtlich. Das ganze Segment wird umgebaut und in Zukunft wird auf die Bezeichnung „Mittelstandsanleihen“ verzichtet. Es erfolgt eine Umbenennung.

Die neue Bezeichnung ist „Primärmarkt“ – ein mir nicht geläufiger, recht diffuser Begriff. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich der Begriff und seine Bewertung entwickeln werden.

 

Wie man einen Begriff ausschlachtet und Geld damit macht

Der Mittelstand – Ausbeutung und Abwertung eines Begriffs.

Haben Namen tatsächlich Macht? Können Namen etwas bewegen? Diese Fragen hört man als Namensexperte häufig. Definitiv ja. Hier ein Beispiel, wie fatal diese Macht sein kann. Wenige Begriffe in Deutschland sind so positiv besetzt wie „der Mittelstand“. Der Mittelstand in Deutschland steht für Familienunternehmen, die zwischen 100 (wie der oberbayerische Messspezialist Steinbichler, ein klassischer Hidden Champion) und durchaus 20.000 Mitarbeiter haben können (z.B. der Maschinenbauer Trumpf). Mittelständler gelten als solide finanziert und stehen auf der Skala der Vertrauenswürdigkeit den Finanzinvestoren (Stichwort „Heuschrecken“), diametral gegenüber. Klar definiert (vielleicht sogar gesetzlich) ist der Begriff aber nicht. Klar hingegen ist, dass sich mit dem Begriff gerade im Finanzsektor sehr gut werben lässt.

Die Idee

Im Jahr 2010 hatte die Börse Stuttgart die Idee, eine neue Geldquelle zu erschließen. Die Zinsen waren im Sinken und mit Anleihen ließ sich wenig Geld verdienen. Die Zahl der Privatanleger, die dem Autobauer VW zu 2,5% sicher, aber mager verzinst, Geld leihen wollten, wurde überschaubar. Also schuf man das neue Anleihensegment „Bondm“ Dass diese hochrentierlichen und hochriskanten Anleihen insbesondere für Privatanleger gedacht waren, darauf deutete bereits die typische Stückelung von 1.000 Euro hin (nicht 50.000 oder 100.000 Euro wie für institutionelle Anleger). Der Namenshintergrund „Handelssegment für Anleihen mittelständischer Unternehmen“ war attraktiv und wurde von der Öffentlichkeit schnell adaptiert als: Mittelstandsanleihen. Entsprechende Fonds beziehen sich auch auf diesen Begriff. Der Erfolg war groß, die Frankfurter Börse zog bald nach. Als Zeichen für die Dimensionen des Themas und des Gelderlöses kann die Google-Suche gelten. Wenn man bei Google „Mittelst“ eingibt, ergänzt die Vorschlagsfunktion schon an zweiter Stelle – nach dem puren Begriff – genau – Mittelstandsanleihen.
Emissionskandidaten für diese Anleihen gab es zuhauf in Deutschland. Wer aber mit Mittelstandsunternehmen wie dem Antennenspezialisten Kathrein oder dem Maschinenbaukonzern Voith gerechnet hatte, der sah sich getäuscht. Es kamen aussichtsreiche Kandidaten ans Licht[IB4], aber auch solche, die schlicht auf keinem anderen Wege mehr Geld beschaffen konnten. Mit dem eingenommenen Geld lösten sie z.B. einfach Altschulden ab. Lustigerweise waren darunter sogar Finanzinvestoren, die für die Benamung der Anleihen wohlklingende Markennamen ihrer Töchter verwendeten.

„Mittelstandsanleihen“

Die Privatanleger – nun ja, sie tappten in die Falle. Sie wunderten sich auch 2014 nicht, warum man für eine Brasilienanleihe 4% und bei VW 1,5% bekommt, aber hier, im Mittelstand, lässige 7,5%. Also Zinsen, die auf dem gewöhnlichen Markt überhaupt nicht zu erreichen waren. Hätte man da stutzig werden sollen? Ja, hätte man werden können und sollen. Der Segmentname „Mittelstandsanleihen“ hat sicher sein Scherflein dazu beigetragen, das Gesamtvolumen von mittlerweile weit über 5 Milliarden Euro bei der optimistischen Masse unterzubringen. Aber ein Teil der Firmen kann mittlerweile seine Anleihen wegen Problemen wie z.B. Insolvenz nicht mehr bedienen. Weder Zinsen noch die Anleihe selbst können zurückgezahlt werden. Und die Liste der Ausfälle wird länger und länger: Solar Millennium, Alpine Holding, WGF, SIAG Schaaf, Solarwatt, Getgoods, SiC Processing, Rena, Strenesse, Zamek. Der englische Begriff „Junk Bond“, also auf Deutsch „Ramschanleihe“ wäre passender gewesen. Oder die Neuschöpfung der „Sub-Junkbonds“. Übersetzen kann diesen Namen jeder still für sich.

Symboldarstellung einer Kursentwicklung bei Mittelstandsanleihen
© Namensentwicklung Werner Brandl

Geschick oder Etikettenschwindel?

Vermutlich beides. Es war natürlich eine astreine Ausbeutung des Begriffs „Mittelstand“ durch Irreführung und Täuschung – aber wer hätte dagegen angehen können? Der Mittelstand, der nicht mitmacht bei solchen Finanzierungsrunden? Selbst wenn die Ausfallquote in diesem Segment von derzeit 20 Prozent noch weiter steigt, den positiven Ursprungsbegriff selbst können hoffentlich die beteiligten Ratingagenturen, Börsen, Banken und Unternehmen, die hier wirken, langfristig nicht zugrunde richten. Wie gesagt, hoffentlich.

Der Begriff „Mittelstand“ hat leider Schaden genommen, der Ruf des Mittelstands ist durch die Mittelstandsanleihen ramponiert. Auf seinem Rücken sind Geschäfte gemacht worden, die originär nicht dazu passen. In Milliardendimensionen ist Geld verdient – und verloren worden. Einem soliden Mittelständler kann man sicher nicht dazu raten, sich in diesem Segment zu exponieren.

PS: Der Lackieranlagenbauer Dürr hat seine neue Anleihe nicht mehr in diesem Segment platziert, sondern ganz konventionell bei den Unternehmensanleihen an der Börse. Gratulation! Und die Semper idem Underberg, die Ihre Marke „Underberg“ für die Platzierung im Mittelstandssegment genutzt hatte, verlegt sich gleich auf eine Privatplatzierung. Ach ja, und eine neue Pleite gibt es auch: Mox Telecom, mal ein etwas überraschenderer Kandidat. Hier mehr dazu. Das ist natürlich nicht der aktuelle Stand, denn fast täglich kommen neue Unternehmen dazu.

 

Das Wir entscheidet: Eine Lanze für das Augenmaß

Kein Freispruch, aber eine Relativierung.

Da diese arme Sau ja so dermaßen durch’s Dorf getrieben wird, muss man was dagegen halten. Die SPD will einen Slogan für den Wahlkampf verwenden, den eine Zeitarbeitsfirma aus Freiburg schon eine Weile verwendet. Ohne Markenschutz, denn der Slogan hat kaum die Eigenschaften, die einen Markenschutz überhaupt ermöglichen würden.

Wenn sich die SPD nicht an der Gleichheit stört, sollte der Verwendung doch eigentlich nichts entgegenstehen. Inwieweit der „Schöpfer“ von „Das Wir entscheidet“ tatsächlich wettbewerbsrechtlich dagegen vorgehen kann – das weiß man natürlich erst nach dem Gerichtstermin, aber es gab sicher schon Konflikte mit besseren Chancen für den Kopierten.

Hier passt ganz gut die (mittlerweile leider) nicht mehr gültige Weisheit: Nichts ist älter als die Zeitung von Morgen, denn die Medien, online und offline, geben dem Ganzen einen Raum, den es, nüchtern betrachtet, eh nicht verdient.

Und damit Sendeschluss. Es gibt so viel Wichtigeres in der Welt.

Halt – noch ein Nachsatz: Die Presse empfiehlt, eine Google Recherche hätte mit einem Klick das Unglück verhindert. Man redet sich oft leicht. Der Slogan von Propartner ist in einem Bild, das den bezeichnenden Namen „Top“ trägt. Den Journalisten möchte ich sehen, der so etwas gefunden hätte … Und der x Millionen Ergebnisse scannt.

Auf jeden Fall Glückwunsch an Propartner für die unbezahlte Hilfestellung durch die Presse.

 

Vialino – Tialini – Vapiano: zu ähnliche Namen?

Die letzten Wochen war es öfter in der Presse: Wendelin Wiedeking eröffnet ein italienisches Lokal in Ludwigshafen. Interessant daran sind vor allem zwei Dinge: Das Konzept ähnelt dem bereits bestehender gehobener italienischer Schnellgastronomiebetriebe. Der zweite Punkt ist noch spannender: Der Name ähnelt(e) auch den entsprechenden bekannten Betrieben. Das „e“ hier ist eingeklammert, da sich beim Namen etwas verändert hat. Denn im Dezember war auch z.B. im xing Firmenaccount noch die Rede vom Namen:

Der Name VIALINO - ausgeschrieben in Druckbuchstaben

Das änderte sich im Januar, und es wurde ein neuer, anderer Name für das Lokal bzw. die geplante Restaurantkette genannt:

Der Name tialini - ausgeschrieben in Druckbuchstaben

Der Grund für Namensänderung ist wohl recht schlicht gewesen. Der ursprüngliche Name war doch recht nah am bereits bekannten Markennamen (für quasi identische Leistungen – das ist sehr wichtig), nämlich:

Der Name VAPIANO - ausgeschrieben in Druckbuchstaben

Vermutlich wurde hier einfach ein etwas heißer Reifen gefahren, denn sonst muss so etwas ja nicht unbedingt passieren. Und es zeigen sich natürlich zwei alte Weisheiten: Man hat selten alles im Griff, und vorher genau schauen ist immer gut. Dafür empfiehlt sich z.B. die Beratung durch einen erfahrenen und kompetenten Anwalt aus den Gebieten Wettbewerbs- und Markenrecht. Sicher auch nicht schlecht – ein Gespräch mit einem Namensexperten.

Audi Freisprechanlage – Kann man Audi und Audi verwechseln?

Sehr überraschend ist es immer, wenn man vertraute Markennamen in ganz anderem Kontext erlebt. So zum Beispiel in einem Artikel der FAZ, mit der Überschrift „Der besonders schöne Freisprecher“ und dem Untertitel „Das Audi Office von Invoxia für Musik und Telefonie.“ Wenn der Leser sich noch den Rubriktitel „Technik und Motor“ dazudenkt, dann ist wahrscheinlich nachvollziehbar, dass ich gleich an eine Freisprecheinrichtung von Audi dachte, z.B. von einem anderen Unternehmen für Audi produziert. Aber weit gefehlt.

Es handelt sich um eine stationäre Freisprechdockingstation von einer Firma namens Invoxia, primär gemacht für die Aufnahme von i-Phones. Hier ein Bild des in der Tat sehr ästhetischen Gerätes:

Bild des AudiOffice von Invoxia
Vielen Dank für das Bildmaterial an Invoxia!

Interessant in diesem Zusammenhang wäre sicher die Auffassung der Audi AG, die ja im Besitz einer Vielzahl von Audi-Marken, auch für technische Geräte wie Freisprecheinrichtungen, ist, und ein klares Namenssystem etabliert hat.

Mehr Informationen zu Namensfindung und Markenentwicklung finden sie auf www.neue-namen.de.

Irreführende Namen: Neue Dimensionen des Verbraucherschutzes

In der Süddeutschen, und sicher auch in anderen Medien war vor ein paar Tagen ein Bericht über die Deutsche Verbraucherweste. Sie fragen vielleicht: Hä? Deutsche Verbraucherweste? Was soll das sein? Geht es da um die Schutzwesten, die jeder in Deutschland im Kofferraum haben muss?

Ehrlich gesagt ist der Name ziemlich originell, die Namensstrategie ist erstaunlich. Er hat wohl irgendetwas mit einer Schutzweste zu tun, aber wirklich nur am Rande. Unter diesem Namen wird Menschen angeboten, dass sie aus dem Verteiler der Telefonterroristen gelöscht und keine unerwünschten Werbeanrufe mehr erhalten würden. Dafür zahlen die Menschen dann eine Servicegebühr. Dumm nur, dass es keinen Effekt gibt.

So weit, so schlecht. Was uns besonders interessiert – das ist natürlich diese Weste. Ein eigenartiger Name, fremd, ungewohnt, schlichtweg unpassend. Aber er scheint bei einigen Leuten positiv wahrgenommen zu werden, die (in ihrer Verzweiflung) auf das Angebot eingehen und sich teilweise eben hinterher beschweren. So etwas hinterlässt den Namensexperten allerdings etwas ratlos. Ich hätte diesen Namen eher für einen Scherz gehalten.

Und da es nicht grotesk genug sein kann, hier noch ein paar Naming-Vorschläge für die Nachahmer oder die Umfirmierer. Bitte bedienen Sie sich:

Deutsche Verbraucherweste Alternativnamen

Und außerhalb davon, da zu sinnvoll:

Verbraucherweste Alternativname kreativer Vorschlag

Wohl bekomm’s!

 

Namensrätsel – Wer findet die Elemente des Markennamens?

Im „ALDI informiert“ war eine wunderbare Marke, naja, eher ein Markenname, zu entdecken. Und der muss hier unbedingt erwähnt werden, weil er ein Namensrätsel ist.

Es war vor zwei Wochen, als eine Besteckgarnitur angeboten wurde, 30-teilig, für €49,99. Die Messer aus dem Set waren annonciert als „Made in Solingen“. Das komplette Set war mit einem Markennamen versehen: Auenthal.

Name für ein Besteck bei Aldi: Auenthal
Markenname für ein Besteck bei Aldi, gebildet durch Verschmelzung

Klingelt’s? Wer erkennt die hier kombinierten Marken am schnellsten? Wer wird Millionär?

Richtig, gut erkannt! Es handelt sich um Auerhahn und Rosenthal, zwei wirkliche Premiummarken aus dem Bereich gedeckter Tisch.

Hybridname durch Kombination der Markennamen Auerhahn und Rosenthal

Und fertig ist der Hybridname.

 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung technisch notwendiger Cookies zu.

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen