Eines der beliebteren Worte unserer Zeit ist sicher „regional“. Man kann es prima im normalen Sprachgebrauch verwenden ohne sich zu disqualifizieren wie z.B. mit einem geschäftigen „nachhaltig“. In einer Kochbuchkritik von Jürgen Dollase ist mir das Thema der Regionalität vor kurzem begegnet und der Begriff verdient ein Drüberüberlegen.
In seiner Kritik des Buchs „frisch, bunt & regional“ von Konrad Geiger kritisiert Dollase (unter einigem anderem, er ist sehr streng), wie das gehe, dass eine Kochrezeptsammlung regional sei, wenn viele Gerichte aus den Küchen anderer Länder stammen?
In der Tat kann und sollte man sich fragen: Was ist an Kokos-Currysuppe, an Erdnüssen, an bretonischen Artischocken, am provencalischen Linseneintopf regional? Nun ja, regional ist etwas wohl dort, wo es aus der Umgebung, aus einem bestimmten Umkreis stammt. Die bretonischen Artischocken sind also zumindest in der Bretagne eine regionale Spezialität. Zur Ehrenrettung von Konrad Geiger sollte man aber erwähnen, dass der weit überwiegende Teil der vorgestellten Rezepte einen deutschküchenheimatlichen Bezug hat. Letztlich ist jedes Gericht und jede Zutat irgendwie regional. Auch die „Gegrillten Maisbrot-Sandwiches mit Ochsenherztomaten, Scamorza und Gemüse-Relish“ kommen natürlich (je in Teilen) irgendwoher, wo sie typisch sind – und regional. Wenn man ehrlich ist, dann stellt regional eben keine Qualitätsaussage, sondern eine geographische, eine wertfreie Positionsangabe dar.
In der Wahrnehmung vieler Menschen ist der Begriff regional aber angenehm und positiv besetzt und passt sicher gut in unsere Neobiedermeierströmungen. Er ist auch sinnvoll, wenn z.B. Zutaten von regionalen Bauern verwendet werden (die im Übrigen nicht besonders naturnah oder hochwertig produzieren müssen, sondern durchaus eifrige Roundup-Verwender sein können). Nähe sagt nichts über Umgang mit Tier, Pflanze, Welt oder Qualität. Somit ist der Begriff des Regionalen oft zu positiv besetzt, denn die kürzeren Lieferwege, was ja wohl einen Hauptnutzen des Regionalen darstellt, und auch von Geiger im Vorwort so erwähnt wird, sind nur ein kleiner Aspekt von Genuss und Biobilanz.
Und damit sind wir bei der Kernfrage: Wie nennt man ein weiteres vegetarisches Kochbuch (mit einer Menge, meiner Meinung nach, durchaus spannender Rezepte)? Der vorliegende Titel „frisch, bunt & regional“ ist kein Geniestreich, da er selbstverständliche bzw. nichtssagende Adjektive kombiniert, die am Ende immer noch keinen inspirierenden, trennscharfen oder auch nur attraktiven Titel ergeben. Lustigerweise gefällt mir der Untertitel „so liebe ich Gemüse“ ein wenig mehr, da er eine zwar schlichte, aber persönliche Aussage darstellt. Noch besser wäre sicher eine klare, von anderen abgrenzende Haltung.
PS: Nicht hilfreich bei der positiven Bedeutungserhaltung von „regional“ sind bekannte Tatsachen wie die, dass der Schwarzwälder Schinken als geschützte geographische Angabe nur bedeutet, dass die Endfertigung, also das Räuchern, am Ort, also regional, erfolgt. Die Schweine können aus aller Herren Länder stammen.