Was ist herzhaft mild? Was bedeutet das? Es ist eine Bezeichnung, die mir schon öfter aufgefallen ist, und die ich noch nie verstanden habe. Eine herzhafte Milde – was könnte das sein? Werfen wir einen genaueren Blick darauf.
Im Kaffeeregal von Tchibo im Supermarkt begegnet einem die Sorte „Tchibo Herzhaft Mild“.
Aber auch im Rewe auf der Dose Kidneybohnen der Linie „Rewe Beste Wahl“ findet man die Bezeichnung – mit Bindestrich. Und ein Blauschimmelkäse aus Dänemark macht auch mit: „herzhaft-mild”. Grundsätzlich ist das Attribut „herzhaft“ eher in der salzigen Geschmackswelt zu Hause.
Schauen wir gleich noch „mild-würzig“ an. Kerrygold Original Irischer Kildery ist „mild-würzig“, so wie auch der Landschinken von Abraham. Der Burlander von Milram ist natürlich auch „mild-würzig“, ebenso der Bresso, der Saint Albray, der deutsche Spargel im Glas von Feinkost Dittmann, der irische Cheddar von Kerrygold, und sogar die Fetakopie von Patros.
Was sagen uns „Herzhaft Mild“ und „mild-würzig“ über die Produkte, vor allem aber über ihre Käufer? Wir könnten tiefenpsychologische Interviews machen, aber wir kürzen das jetzt ab. Befragt werde nur ich selber. Die Namen sagen uns, dass Menschen sich schwer entscheiden, aber auch, dass der Konsument immer öfter mehr will: Mehr als 1, und so auch mehr als einen Geschmack. Ein milder Kaffee ist – zu mild. Ein kräftiger Kaffee ist – zu kräftig. Ein geschmackvoller Käse – puh, zu kräftig. Ein geschmackloser – auch irgendwie fad. Die Lösung: beides zusammenspannen, mehr Zielgruppen erreichen, von mild bis herzhaft oder würzig, und alles dazwischen, also quasi drei auf einen Streich.
Das funktioniert natürlich nur gut bei etwas so vagem wie Geschmack. Bei konkreten und vor allem absoluten Produktangaben wird das Zusammenspannen von Gegensätzen schon eine rechte Herausforderung – und das für alle Beteiligten. Man stelle sich nur vor:
- Wein Rot-Weiß
- Joghurt mit wenig / viel Fett
- Salami saftig-trocken
- Paprikachips klein-groß
Konsistenzbeschreibungen dagegen sind durchaus gut vorstellbar und vielleicht sogar ganz spannend, zumal bei vielen Produkten ja mehrere Texturen auftreten:
- Baguette knusprig-weich
- Fruchtjoghurt cremig-stückig
Mal sehen, was da noch auf uns zukommt.
PS: Die Auflösung zur Bedeutung von „Herzhaft Mild“ ist übrigens ganz einfach und viel weniger strategisch. In diesem Kaffee sind zwei verschiedene Kaffeesorten gemischt, eine kräftige und eine milde. Und Begriffe wie „mittel“, „classic“ oder „durchschnittlich“ wollte man wohl vermeiden. Hätten Sie’s geahnt? Zum Glück ist aber nicht alles logisch in unserer Welt und in unserem Kopf, und deshalb kann der Name, so widersprüchlich er auch sein mag, in der Praxis funktionieren.
Lieber Herr Brandl,
ich persönlich glaube, diese “herzhaft-mild”-Nummer soll eine Eierlegendewollmilchsau sein: Männer, die echte Männer sind, aber nachmittags keinen starken Kaffee mehr trinken können, weil sie abends nicht schlafen können, wählen eben “herzhaft-mild” – klingt nicht so mädchenmäßig, wie “Feine Milde”…
Und die Erklärung mit den verschiedenen Arabica-Sorten, also eine Arabica-Cuvée – ist ehrlich gesagt, Bullshit. Ich vermute, die Wahrheit liegt im Koffeingehalt: Arabicabohnen haben einen Koffeingehalt von nur 1,1-1,7% , und der kräftigere Robusta hat 2-4,5%…
“Weniger Koffein” würde sich aber nicht so gut bei der Zielgruppe verkaufen.
Empfehlenswert zum Thema “Kaffee und seine Geschichte” ist das neue Buch von Tom Hillenbrand: “Der Kaffeedieb” http://www.kiwi-verlag.de/buch/der-kaffeedieb/978-3-462-31560-8/
Ein echter anspruchsvoller Pageturner über die Geschichte des Kaffees…
Vielen Dank, wieder was gelernt. Hätte ich ja nicht gedacht, dass der Koffeingehalt so unterschiedlich ist. Man denkt ja viel zu wenig nach …