Ein Riesenmissverständnis: Die Altkatholiken

Durch einen Beitrag im Deutschlandfunk und durch die Dauerkrise der Katholischen Kirche bin ich auf ein religiöses Thema gestoßen. Die Altkatholische Kirche bzw. die Altkatholiken: Jeder hat den Namen schon einmal gehört, kaum einer hat eine Vorstellung, was das ist. Auf jeden Fall ein Namensproblem.

Auf den ersten Blick klingt altkatholisch – wie eine Flurumfrage ergab – eindeutig altbacken, ultrakonservativ, restriktiv, unliberal etc. Also wie eine ultrakonservative Alternative zu den Katholiken, letztlich so etwas wie die Evangelikalen. Diese Sicht ist, sowohl zum Glück wie auch leider, völlig falsch. Manchmal steckt eben deutlich mehr hinter einem Namen, als man auf den ersten Blick wahrnimmt.

Der Ursprung der Altkatholischen und ihres Namens

Nähert man sich über die Entstehungsgeschichte dieser Glaubensgemeinschaft und ihre gelebten Werte, so wird alles klarer. In der altkatholischen Kirche gibt es keinen Oberchef wie den Papst. Frauen können Priesterinnen werden, Frauen und Männer sind gleichwertig. Anlass für die Gründung der altkatholischen Kirche war das Konzil von 1870, bei dem die besonders herausgehobene Stellung des Papstes beschlossen wurde. Die Altkatholiken fanden dies nicht gut, und spalteten sich deshalb ab. Kurz zusammengefasst die Besonderheiten der „neuen“ Glaubensvereinigung:

  • Pfarrer werden von der Gemeinde gewählt
  • Frauen und Pfarrer gleichwertig
  • Schwule, Lesben etc. zulässig
  • Kein zwingendes Zölibat
  • Einladung aller Christen zur Kommunion

Dummerweise waren sie beim Namen nicht besonders kreativ und bezogen sich bei der Namensgebung auf einen vagen Zeitraum vor dem Konzil, und auf die Einheit, von der sie sich ja abgrenzen wollten, die Katholischen. Das konnte nicht gutgehen und es war weder vorausschauend noch zukunftssicher. Bei diesem Namen bin ich mir 100% sicher, dass er den Erfolg der Abspaltung in höchstem Maße behindert hat.

Schon damals war die Namenslösung alt-katholisch zweifelhaft. Die Idee dabei war ja eigentlich, so etwas wie „vor Konzil“ auszusagen. Das hätte man auch über das Attribut „neu“ lösen können, also die „Neu-Katholischen“. Letztlich sind diese Attribute aber quasi deiktische Zeichen, d.h. sie helfen nicht und sagen nichts aus, wenn man ihren Bezugspunkt nicht kennt. Deshalb sind solche Labels gut geeignet als zeitweise Sticker oder als Kampagnenmotto, aber nicht als Namenselement. Alt ist bald schrecklich alt, und neu wird einfach alt.

Namensproblem Katholisch vs. Altkatholisch

Die beste Namenslösung bei Abspaltungen

Da ich konstruktiv bin, möchte ich der Frage nachgehen, wie man das hätte besser lösen können (und auch heute noch besser lösen könnte), nämlich mit einem neuen Namen. Der wichtigste Punkt ist die Identität – also was macht diese Glaubensgemeinschaft aus. Ob man das konkret in Abgrenzung zur ursprünglichen Einheit machen sollte? Eher nicht. Ein Beispiel zur Illustration: Siemens hat Siemens Healthineers abgespalten und auch Siemens Energy. Die Bande zu Siemens sind schon im Namen noch sehr eng. Dagegen liegt bei Abspaltungen Gigaset und Qimonda (dummerweise zwar beide erfolglos, aber eben eigenständig) tatsächliche Abgrenzung vor. So ist Siemens ein wenig wie die Katholische Kirche. 😉

Hier ein paar Vorschläge für neue Namen, die besser zum Ausdruck bringen, was die altkatholische Kirche ausmacht, wenn sie sich umbenennen möchte:

  • Christliche Kirche: Grundsätzlich richtig, aber viel zu umfassend Adjektiv
  • Christkirche mit dem Adjektiv christkirchlich: Schon besser geeignet, da eigenständiger
  • Urchristen und urchristlich: Klingt schon wieder sehr alt
  • Purchristen und purchristlich: Ungewöhnlicher und besonderer
  • Magdalenerkirche: Eine echte Innovation – eine Glaubensgemeinschaft benannt nach einer Frau
  • Juniakirche: Analog innovativ, aber mit unbekannterer Namenspatin
  • Kirche der Menschen: Mit einem sehr umfassenden Ansatz
  • CIM-Kirche: Christlich, inklusiv, menschlich

… man sieht schon, das ist nicht ganz einfach, und für jeden Namen gibt es ein Für und Wider. Doch selbst wenn man keinen neuen Namen findet, bekommt man durch das Nachdenken darüber mehr Klarheit, was und wie kommuniziert werden sollte.

 

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